kubeia




DTP im RP


DTP im RP , backprojection about 4 x 6,5 metres 
in the context of the exhibiton "Interventionen" 
Regierungspräsidium Kassel, 7 February - 04 March 2003
 
Videochip photogram of a blottting seesaw
from the office of the council's president, 7.02.2003

Abstrakte Lichtkompositionen - a review by Dagmar Keultjes

Magisch leuchtende Bilder ziehen vor der dunklen Silhouette des Regierungspräsidiums über eine Projektionsfläche und schimmern dem nächtlichen Spaziergänger am Fuldaufer geheimnisvoll durch die kahlen Bäume entgegen. Einzelne helle Linien bündeln sich und bilden verdichtete Strukturen, die bald darauf wieder verschwinden, um in rauchige transparente Formen überzugehen. Der stetige Wandel erzeugt eine fließende Bewegung, in die unterschiedliche Lichtstrukturen rhythmische Akzente setzen. Mal werden Erinnerungen an eine spiegelnde Wasseroberfläche wach, dann scheint es sich eher um die mikroskopische Wiedergabe bakterieller Lebewesen zu handeln. Bei längerer Betrachtung entsteht eine poetische nahezu musikalische Wirkung, doch die abstrakten Erscheinungen bleiben rätselhaft.

Ein Blick in den Sitzungssaal des Präsidiums bringt die zunächst ernüchternde Lösung. Die sich darbietende Szene gleicht der eines Techniklabors. Auf einem Tisch in der Mitte des Raumes bewegt sich ein Roboter mit einer Lichtquelle über einen gläsernen Gegenstand. Das Objekt liegt auf einem Videochip, der die Lichtbewegungen aufzeichnet und diese über einen Beamer und einen Spiegel unmittelbar auf die weiße Projektionsfläche wirft. Ein 3D Plotter sorgt auf drei Achsen für stetigen Richtungswechsel des Lichtes, und die Fahrtgeschwindigkeit variiert per programmiertem Zufallsprinzip. Die seriöse Analyse des Glasobjekts birgt eine besondere Komik. Da liegt ein gläserner Briefbeschwerer in Hundeform, der aus einem Büro des Präsidiums stammt und mit akribischem Ernst durchleuchtet wird.

Dem Außen stehenden Betrachter bleibt die Banalität des Gegenstand verborgen und verliert an Bedeutung. Der Prozess erzeugt kein gegenständliches Abbild. Die feste Form des Objektes wird während der röntgenartigen Belichtung aufgelöst und durch den dauernden Perspektivwechsel in immaterielle Lichtspuren transformiert, die auf der Fläche als abstrakte Kompositionen erscheinen. „Video – Photogramm“ bezeichnet Tim Otto Roth den Prozess. Ein Fotogramm entsteht wenn ein Objekt auf einem lichtempfindlichen Material, etwa unbelichtetem Fotopapier, kurz mit Licht in Kontakt kommt. Ein undurchlässiger Gegenstand erscheint nach der Entwicklung auf dem schwarzen Papier als heller Schatten, durchscheinende Materialien zeigen ihre inneren Strukturen. Als Man Ray 1922 zufällig beim Entwickeln seiner Fotos auf das Verfahren stößt, nennt er es „Rayografie“. Die Licht – Schattenbilder werden von den Surrealisten fasziniert als neue Ausdrucksform einer imaginären Räumlichkeit aufgenommen.  Im Unterschied zu den herkömmlichen Fotogrammen, die nach der Entwicklung als statisches Bild fixiert bleiben, erzeugt die Belichtung auf den Videochip ein bewegtes Bild, das sich in der Zeit entwickelt und simultan erlebbar ist.

published 2003 in Artefact